Copyright Fotos: Christiane Grathwohl

Gae Aulenti. Ein kreatives Universum
Vitra Design Museum bis 18. April 2021

Eine Frau unter Männern. Als Architektin bewegte sich Gae Aulenti in einer Männerdomäne. Mit ihren ortsbezogenen Ideen und Entwürfen setzte sie sich durch. Gerade in der Neunutzung alter Gebäude leistete sie Hervorragendes. Berühmt wurde sie mit dem Umbau des Gare d’Orsay vom stillgelegten Bahnhof zum viel genutzten Museum. Für die Bewältigung dieser Mammutaufgabe erhielt sie die ranghöchste Auszeichnung Frankreichs, den Orden der Ehrenlegion. Sie selbst maß ihrer Rolle als Frau in einer Männerwelt keine große Beachtung bei. Ihr ging es um die Arbeit. Seit dem Studium am Mailänder Polytechnikum, das sie 1954 als eine von zwei Frauen neben 18 Männern des Jahrgangs abschloss, kannte sie es nicht anders. Bevor jedoch die großen Architekturaufträge kamen, machte die 1927 in der Nähe von Udine geborene Gaetana Aulenti sich einen Namen als Designerin. Darauf liegt der Akzent der aktuellen Ausstellung im Schaulager des Vitra Design Museums in Weil. 35 Objekte sind dort versammelt, präsentiert zwischen den Regalen der ständigen Sammlung. Obwohl räumlich ein wenig beengt und leider ohne eigene Begleitpublikation, ist die Ausstellung sehr erfreulich. Gilt es doch eine Produktdesignerin und Architektin kennen zu lernen, die hierzulande immer noch als Geheimtipp gilt.

In den Objekten aus den frühen 60er Jahren wie dem Schaukelstuhl Sgarsul von 1962 orientiert sie sich noch an der Ästhetik des Art Deco. Auch die berühmte Pipistrello-Lampe von 1965 erinnert in ihrer Farbigkeit – schwarz und silber für den Lampenfuß, weiß für den Lampenschirm aus Glas – an die 20er Jahre. Diese nach der Fledermaus benannte Lampe wurde 1965/66 für den Schauraum der Firma Olivetti in Paris entwickelt. Sie ist ein absolutes Kultobjekt für Design-Fans und wird bis heute in Italien produziert. Sie machte Aulentis Namen über die Grenzen Italiens bekannt. Mit der Gartenmöbelserie Locus solus schwamm sie sich frei. Neben Liegestuhl und Beistelltisch, gehörten zu dem Programm eine Liege mit großen Rollen, Armlehnstühle, ein Esstisch und eine Sitzbank samt Hocker und Lampe. Alles angefertigt aus gebogenem und leuchten orange lackiertem Stahlrohr. Die Pop-Art lag in der Luft, die Swinging Sixties waren voll im Gang und Aulentis Designobjekte wurden zur Verkörperung des Zeitgeists. In dem berühmten Film Swimming Pool räkelten sich Romy Schneider, Jane Birkin und Alain Delon am Rand des tiefblauen Pools auf diesen poppigen Gartenmöbeln. Bei den farbigen Stoffbezügen ließ sich die Designerin tatsächlich von dem in Italien lebenden britischen Pop-Art Künstler Joe Tilson inspirieren. Ihre Möbel und Objekte waren nicht nur Aufträge, sie umgab sich mit ihnen auch in ihrem eigenen Lebensumfeld. In einer Wandprojektion werden Fotografien aus ihrer Mailänder Wohnung gezeigt, die klarmachen, wie eng verwoben ihr berufliches und privates Leben war. Einige Objekte haben eine Mehrfachfunktion. So kann die kugelförmige Lampe Giova gleichzeitig als Vase genutzt werden. In der unteren Glaskugel befindet sich die Glühbirne, die von oben eingepasste kleinere Halbkugel kann als Vase genutzt werden. Die Verbindung verschiedener Funktionen findet sich auch bei einem witzigen Objekt, das auf den ersten Blick wie ein kleines, erbsenfarbenes Kraftwerk aussieht. Seine Funktion erschließt sich bei genauer Betrachtung. Auch hier ist eine Vase mit einer Lampe liiert, hinzu kommt noch ein Aschenbecher. Der Name für diesen Hybrid von 1967 ist Rimorchiatore, was Schleppschiff bedeutet und somit die gedrungene, leicht bullige Form erklärt. Alle 35 ausgewählten Objekte tragen Namen und jedes ist für seine jeweilige Funktion entwickelt worden. Eine einheitliche Formsprache findet sich nicht. Von Stil hielt Aulenti nichts. Auch in den großen Architekturprojekten der 80er und 90er Jahre konzentrierte sie sich auf die Erfordernisse des jeweiligen Ortes. Alles hat eine eigene Geschichte und steht in einem anderen Zusammenhang. Darauf wollte sie eingehen und nicht eine Handschrift, eine Wiedererkennbarkeit entwickeln, wie es bei so vielen ihrer männlichen Kollegen der Fall ist. Auf die Architekturprojekte wird in dieser Ausstellung – wohl aus Platzgründen – nicht weiter eingegangen. Immerhin gibt eine Bildprojektion einen Eindruck von der Fülle und Vielfalt ihrer Aufträge, die sich vom Flughafengebäude, über Museumsumbauten, bis hin zu Privathäuser erstreckten. Als Gae Aulenti 2012 verstarb, war sie hochgeehrt und in der Fachwelt als eine der wenigen Architektinnen bekannt, die auf gleicher Ebene mit den berühmten männlichen Kollegen rangierte. Mailand, die Stadt, in der sie am längsten wirkte, nannte einen futuristischen Platz nach ihr: Piazza Gae Aulenti.

Christiane Grathwohl

Gae Aulenti. Ein kreatives Universum
bis 18 April 2021

Vitra Design Museum
Charles-Eames-Str. 2
D-79576 Weil am Rhein
T +49.7621.702.3200
F +49.7621.702.3590
info@design-museum.de

Öffnungszeiten täglich: 12 – 17 Uhr.
Das Museum ist an allen Sonn- und Feiertagen geöffnet.
Am 24. Dezember ist das Museum von 10 – 14 Uhr geöffnet.