Respekt und Mut
Wertedialog im Design

Befragung im Seminar Design&Ethik an der HTW Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich Gestaltung, Studiengang Kommunikationsdesign
Dozentin: Iris Laubstein, laubstein design management, Köln

Was ist dem Nachwuchs wichtig? Was bedeutet angehenden Kommunikationsdesignern Respekt im Design und was verstehen sie unter Mut in ihrer Profession? Welche Bedeutung sprechen sie ethischen Aspekten in ihrem Studiengang zu und welche moralischen Konfliktsituationen sehen sie in ihrem künftigen Beruf auf sich zukommen?
Ziel des Seminars Design&Ethik an der HTW Berlin ist es, die Wahrnehmung für ethisch-moralische Entscheidungen sowie die Konflikt- und Dialogfähigkeit zu schärfen und Perspektivwechsel zu üben. Dabei stehen der Dialog um Werte und die Kommunikation von Haltungen im Mittelpunkt, untersucht jeweils an unterschiedlichen Personengruppen. So war es die Aufgabe der Seminarteilnehmer in den letzten Jahren, Konsumenten, Produzenten, Händler, Auftraggeber, Lehrende und Studierende in quantitativen und qualitativen Befragungen, Interviews und Fokusgruppen zu ihren Werten, Haltungen und ihrer Verantwortung zu befragen.

Dabei zeigte sich, dass gerade bei jungen Studierenden diese Fragen als eine Art Moralkeule missverstanden werden konnten und auf Abwehrreflexe stießen. Daher waren die Fragen im letzten Semester offener, scheinbar „unverdächtiger“ und ohne den Vorverdacht der moralischen Wertung.
Die beiden Fragen an die Studierenden lauteten:
Was ist für Sie Respekt im Design? Und: Was ist für Sie Mut im Design?

Respekt (lateinisch: respectus >>das Zurückblicken, Rücksicht<<) als ein Begriff, der sich von – Achtung, aufgepasst! über Anerkennung bis hin zu Rücksichtnahme auf Materie und auf Menschen beziehen und interpretiert werden kann.
Und Mut, als Eigenschaft von Menschen und ihrem Handeln. Als Beispiel für Formen des Muts im Design stand der Rückblick auf die Rotterdamer Ausstellung » „Daringdesign – Chinese and Dutch Designers with Guts“ im dortigen Architekturzentrum NAI 2011. Diese Ausstellung zeigte an acht Beispielen das Spektrum von gestalterischem Mut: Mut zu unangepasstem Design und Mut von Designern als politisch denkenden Akteuren.

Momentaufnahme

Im Wintersemester 2012/2013 haben sich in ihrem 5. Semester über 80 Studierende zwischen 20 und 33 Jahren mit Fragen nach ihren Vorstellungen von Respekt und Mut im Design sowie ihren persönlichen Leitmotiven auseinandergesetzt. In einer offenen Befragung habe ich die schriftlichen Antworten gesammelt und ausgewertet. Dies ist eine Momentaufnahme, wie sich die nächste Generation von Gestaltern mit sehr persönlich zu interpretierenden Fragen auseinandersetzt. Eine solche Auseinandersetzung bildet die Grundlage für die Formulierung der eigenen Haltung im Beruf. Nach dieser Position werden aus meiner Sicht künftige Designerinnen und Designer mehr denn je gefragt werden. Je genauer sie wissen, was sie wollen und wofür ihre Arbeit steht, umso höher steigt ihre Qualifikation für komplexe Arbeits- und Entscheidungsprozesse.
Sie werden, als Berater ihrer Kunden, Teilhaber und Treiber von Veränderungsprozessen sein und weniger nur Ausführende, Ableistende von Diensten, keine künftigen „Grafik-„ oder aktueller „Pixel-Knechte“.

Das Interesse an den beiden Fragen und die Fähigkeiten der Teilnehmer, ihre Antworten zu artikulieren, waren erwartungsgemäß unterschiedlich ausgeprägt. Die Aussagen dagegen stimmten in vielen Bereichen überein. Für mich allerdings unerwartet fand die Frage nach dem Respekt im Design die größte Aufmerksamkeit. Die bewusste Auseinandersetzung damit war für viele neu und ergiebiger als die Definition von mutigem Design beziehungsweise mutigen Designerinnen und Designern. Die An- oder Abwesenheit von Respekt wird in der Ausbildungssituation täglich am eigenen Leib erfahren. Die Vorstellung vom Mut im Design dagegen ist noch von vielen Klischees geprägt und wird erst in der eigenen Berufspraxis einen persönlichen Erfahrungshintergrund annehmen.

1. Respekt: Anerkennung der Leistung
Auf Platz eins der Nennungen zum Thema Respekt steht mit fast 80 Prozent der respektvolle Umgang unter Kommilitonen, Kollegen und in der Ausbildungssituation bei der Beurteilung beziehungsweise der Kritik durch die Lehrenden. Zwischen den Zeilen sind viele Verletzungen zu spüren und die Suche nach einer persönlichen Haltung, damit umzugehen. Auch der Wunsch selber Achtung vor der Leistung des anderen zu üben, auch wenn dessen Arbeit nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Diese Absicht scheint mit der Hoffnung verknüpft, dadurch den Anspruch auf respektvollen Umgang mit der eignen Person zu erlangen, frei nach dem Kants kategorischem Imperativ.

„… ehrliche Aufmerksamkeit gegenüber den Vorschlägen der Kollegen und Kunden, sowie die Wertschätzung der eingebrachten Beiträge und Arbeiten.“
 
„Respekt im Design bedeutet, etwas anzuerkennen und wertzuschätzen, auch wenn es nicht aus eigener Hand kommt. Unabhängig von der Meinung, die man zu dem Produkt bezieht.“
 
„Im besten Falle sollte Respekt im Design eine konstruktive Kritik und eine Reflexion zur Folge haben.“
 
„… habe ich Bazon Brock ( ) in Berlin zum Thema „Persönlichkeit und Haltung im Design“ sinngemäß sagen hören: >Nur wer andere Gestalter und ihre Arbeiten würdigen kann, hat auch selber Würde.<„
 
„Respekt gegenüber den Ideen anderer. Ein Zuhören und Aufnehmen und Weiterdenken, auch wenn es vielleicht nicht die eigene Idee war, die man gemeinsam vorantreibt.“
 

„Respekt im Design sollte sich auch in ausgesprochenem Lob und der Vergütung von Designleistungen widerspiegeln.“

2. Respekt: Würde von Menschen und Rezipienten
Nach dem Respekt unter Kollegen folgt mit knapp 70 Prozent der Nennungen die Achtung der Würde der Mitmenschen beziehungsweise der Zielgruppen von Design. Gut, dass diese eine so hohe Aufmerksamkeit erhalten. Hierbei wird Menschenwürde bis zur aktuellen Definition von Nachhaltigkeit im Sinne sozialer Verträglichkeit interpretiert.


„Es geht in erster Linie darum, ein auf dem Verbraucher abgestimmtes Produkt zu entwerfen. Der eigene Geltungsdrang ist in solchen Momenten hinten anzustellen.“
 
„…. über ein gutes Allgemeinwissen verfügen sollte, um zum Beispiel keinen ethischen oder kulturellen Fauxpas zu begehen und somit Menschen zu verletzen.“
 
„…drückt sich der Respekt in verschiedenen Kulturkreisen und gesellschaftlichen Schichten unterschiedlich aus. Wenngleich es eine Art universellen Respekt gibt, unter anderem festgehalten in ( ) Präambeln der Vereinten Nationen oder auch in den Wertekanons verschiedener Religionen und des Humanismus.“
 

Beispiel Schokoladenindustrie + Kakaoanbau: „Produziert man Werbung, die zum Kauf von Produkten anregt, die durch Kinderarbeit entstanden sind, so halte ich dies für respektlos den Kindern gegenüber.“

3. Respekt: Achtung des Auftraggebers
40 Prozent sind sich bewusst, dass der respektvolle Umgang mit Auftraggebern von Bedeutung ist und wollen deren Vorstellungen und Erwartungen ernstnehmen. Dies ist natürlich eine elementare Voraussetzung, um die Anerkennung der eigenen Leistung einfordern zu können. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel ist gerade für künftige Selbständige, die mehr sein wollen als reine Dienstleister, unerlässlich. Sie müssen eine Position beziehen zu ihrem kreativen Wollen und dem Verständnis der Aufgabe. Immer wieder klagen Auftraggeber in der Praxis über den Mangel bei Kreativen, zuhören zu können, partnerschaftlich zu denken und nicht nur die eigenen Vorstellungen zu verfolgen.

„Respekt im Design bedeutet für mich, jeder Aufgabe vorurteilsfrei und offen zu begegnen. Dies bedeutet, sich komplett auf den Kunden und/oder die Aufgabenstellung einzulassen. Zuzuhören, zu erforschen, zu verstehen und gewissenhaft zu beraten.“ 
 

„Aufgaben und Wünsche des Kunden zu respektieren und sich in diese hineinzudenken. … Den Kunden nicht in eine Schublade zu stecken und los geht’s mit dem munteren Designen.“

4. Respekt: Selbstvertrauen
Über 30 Prozent sehen in dem Respekt für die eigene Person die Voraussetzung für den respektvollen Umgang mit anderen. Dazu gehören Selbstachtung und die Achtung der eigenen Werte. Es gilt das eigene Gesicht zu wahren und sich zum Beispiel nicht unter Wert zu „verkaufen“. Auch der Mut, Anerkennung und Respekt in Form von angemessener Bezahlung einzufordern.


„Grundlage für all das ist, wie so oft, Respekt vor sich selbst zu haben. Vor seinen Bedürfnissen, vor seiner Einstellung, seinen Werten.“
 

„Die Branche nicht durch Dumping-Preise runterziehen.“

5. Respekt: Umgang mit Ressourcen
Für nur knapp 30 Prozent der Teilnehmer ist der respektvolle Umgang mit Ressourcen nennenswert. Die Diskussion der letzten Jahre um das Thema Nachhaltigkeit hat aus meiner Sicht dazu geführt, dass inzwischen Aspekte wie Arbeitsbedingungen stärker ins Bewusstsein gerückt sind und daher bei den Nennungen unter Punkt 2. Respekt: Würde von Menschen eine Rolle spielen. Es wäre aber wünschenswert, wenn künftige Designer zusätzlich eine klare Vorstellung von ihrer Verantwortung im Umgang mit Ressourcen präsent ist.

Der Respekt im Design lässt sich selbst bis zur Auswahl der Materialien führen. Die Schonung der Ressourcen spielt hier eine wichtige Rolle. Ein gutes Design lässt sich auch oft auch ohne aufwändige Produktionsverfahren realisieren.“

6. Respekt: Bewusstsein für die Macht von Design
Nur 20 Prozent von 80 Studierenden haben Respekt vor der Macht von Design, Menschen in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Ist den anderen 80 Prozent der Einfluss von Gestaltung zu selbstverständlich, um ihn zu benennen? Oder trauen sie ihrer Profession keinen Einfluss zu?


„… sollte man die eigene Naivität ablegen und sich damit auseinandersetzen welche „Macht“ visuelle Kommunikation haben kann. Man sollte sich der Verantwortung, die man hat stellen und dieser Macht mit einer gewissen Ehrfurcht gegenübertreten – mit einem gesunden Maß an Respekt.“
 
„Design entsteht, um konsumiert zu werden und hat somit einen nicht zu verkennenden Einfluss auf den Menschen und die Gesellschaft.“ 
 

„Zudem ist es unerlässlich, respektvoll mit der gesellschaftlichen Verantwortung umzugehen, die wir Kommunikationsdesigner als potentielle Meinungsvermittler und –Beeinflusser zwangsläufig haben. Design hat großes Veränderungspotential und erreicht potentiell Millionen Menschen weltweit. Mit dieser Macht und Verantwortung gilt es respektvoll umzugehen.“

7. Respekt: Anerkennung der Teamleistung
10 Prozent der Studierenden stellen fest und erkennen an, dass Teams gemeinsam mehr leisten und erreichen können als der Einzelne. Für eine Berufsgruppe, die überwiegend im Team arbeitet, ein sehr geringes Bewusstsein für die Bedeutung der Leistung in der Gruppe. Aber in dieser Lebens- und Ausbildungsphase der Selbstdefinition noch nachvollziehbar.

 
„Durch das Verständnis gegenüber dem anderen Design kann man an Erfahrung gewinnen und mit dem respektvollen Umgang wächst der Ideenpool, von welchem letztlich alle gestaltenden Personen profitieren können.“
 
„Der Austausch von Ansichten und Meinungen ist im Kreativprozess essentiell. Besonders eine Fachbereichs-übergreifende Zusammenarbeit im Designteam fördert ein gutes Ergebnis.“

Der zweite Teil der Befragung zielte auf die persönliche Definition von Mut im Design. Beispiele für unterschiedliche Interpretationen gab die Rotterdamer Ausstellung „Daringdesign – Chinese and Dutch Designers with Guts“. Sehr persönliche, individuelle ebenso wie große gesellschaftliche Hintergründe spielten dort bei den mutigen Designhaltungen der acht Holländer und Chinesen eine Rolle. Ihre Geschichten erzählten, wie jeder sich auf seine Weise positioniert und etwas bewegt.

1. Mut, neue Wege zu gehen
Die vielen „neuen Wege“ – wo werden sie hinführen? Nirgends gab es eine so große Übereinstimmung in der Wahl der Worte. Alle weiteren Definitionen von Mut hatten Übereinstimmungen bei höchstens einem Drittel der Teilnehmer. Aber 70 Prozent stellen sich unter Mut im Design vor, die alten, anerkannten Bahnen zu verlassen, gegen den Strom zu schwimmen und Grenzen zu überschreiten. Regeln brechen, gegen den Trend etwas wagen, Altes hinterfragen.

 
„Mutig ist ein Design das polarisiert oder besonders konsequent ist. Mut bedeutet, etwas zu wagen, unabhängig ob ich damit scheitere oder nicht. … Es muss jedoch unterschieden werden, ob ich besonders „mutig“ bin um besonders viel Aufmerksamkeit zu erlangen, oder ob ich mutig war und dadurch viel Aufmerksamkeit erlange.“
 
„Wer sich nicht traut neue Wege zu beschreiten und eingefahrene, alte Muster zu durchbrechen, der stößt nie an seine persönlichen und vor allem nie an die Grenzen des Designs.“
 
„… die Augen anderer Menschen durch eine mutige Botschaft zu öffnen oder etwas zu verwenden was nicht nur provoziert, sondern zum Denken anregt. Design ist mutig, wenn es über eine ungewöhnliche Gestaltung hinausgeht und zum Mut eines Designers als mitdenkendem Akteur wird.“
 

„Mut heißt Grenzen überschreiten, aber gewisse Rahmenbedingungen wahren, also den Bezugsrahmen nicht zu vergessen und ethische Normen nicht zu verletzen, folglich ein adäquates Umgehen. Denn ansonsten schlägt Mut leicht in Übermut um.“

2. Mut, sich nicht beirren zu lassen
30 Prozent ist bewusst, dass zu den neuen Wegen auch gehört, sich nicht von der eingeschlagenen Richtung abbringen zu lassen und möglichem Gegenwind zu trotzen.

 
„Andererseits ist es manchmal auch mutig an Dingen festzuhalten und nicht beim ersten Widerstand aufzugeben, nicht stur aber konsequent suchend.“
 

„Auch mutig: den Mund aufzumachen, wenn es um Team-Entscheidungen geht. Der soziale Druck in der Gruppe kann unglaublich groß sein.“

3. Mut, scheitern zu können
Zur Beharrlichkeit auf den neuen Wegen gehört für 30 Prozent die Konsequenz scheitern zu können, das Scheitern auch einzugestehen und die Folgen zu tragen.

 

„Bei all diesen Entscheidungen den Mut haben, die jeweiligen Konsequenzen (für den Geldbeutel, das eigene “Image”, die eigene Zeit…) hinnehmen.“

4. Mut, nein zu sagen
30 Prozent verstehen unter Mut im Design, Angebote und Aufgaben abzulehnen. Im Berliner Seminar Design&Ethik spielt jedes Semester wieder die Frage eine sehr große Rolle: Wird man in der Praxis Jobs ablehnen können? Solche, die in einer Form unmoralisch sind, ob von den Inhalten, den Arbeitsbedingungen beim Auftraggeber oder den Konditionen für den Auftrag. „Würde ich für „die Bild“ arbeiten? Für sehr viel Geld ein Plakat für die NPD machen? Würde ich für Nike / Coca Cola / … arbeiten?“ Und ist man als Angestellter raus aus der Verantwortung?

Als Kehrseite dieser Herausforderung findet ein Kommilitone den Mut, sich dazu bekennen, dass er zur Not unter bestimmten Bedingungen auch schlechte Jobs annehmen würde.
 
„Möchte ich mich „prostituieren“ und jeden Wunsch des Kunden erfüllen, egal was er von mir verlangt und ob sein Produkt, seine Idee moralisch gerechtfertigt ist?“
 
„Im Beschäftigtenverhältnis wird … leider oft die Gewissenfrage auf die „Obrigkeit“ abgewälzt.“
 

„Gleichzeitig ist es wichtig Mut zu haben, langweilige, unbequeme, unterbezahlte oder Kräfte raubende Arbeiten anzunehmen, so lange es mit dem eigenen Gewissen vereinbar ist und man selbst und kein anderer Schaden nimmt.“

5. Mut, sich zurück zu nehmen
Sich und seine persönlichen Ambitionen zurücknehmen zu können, zum Wohl der gemeinsamen Sache, dazu gehört für 10 Prozent Mut. Das entspricht dem Bewusstsein über die Bedeutung und der Anerkennung der Teamleistung – siehe 7. Respekt.

 
„Ein mutiger Designer steht zu seinen Entwürfen, ist aber trotzdem offen für Verbesserungsvorschläge, er handelt aus freiem Willen und verteidigt seine Arbeit gegen nicht gerechte Kritiken.“
 

„Es ist mutig, etwas verbessern zu wollen ohne sich sicher zu sein es verbessern zu können. Das Streben danach, das Fordern, das Eingestehen, das Einstehen, das Verstehen, das Respektieren und Berücksichtigen anderer Perspektiven, beschreibt in seiner Gesamtheit den mutigen Designer.“

6. Mut, unbequeme Themen anzugehen
Wenn auch 20 Prozent Respekt vor der Macht des Designs haben, so benennen es nur 10 Prozent explizit als Mut, diese Macht für den Einsatz von politisch-gesellschaftlichen und unbequemen Themen zu nutzen.

 
„Als Beispiel sei hier die Gestaltung des Plakates zur Gay-Parade in Belgrad, Warschau oder Moskau genannt. Wer diesen Auftrag annimmt und das Werk unterzeichnet muss mutig sein.“
 
„Ein Designer oder eine Designerin kann mutig handeln indem er unbequeme Wahrheiten transportiert, beispielsweise indem er an Konzepten der Nachhaltigkeit arbeitet und diese dadurch fördert. …ohne dabei Angst vor Ablehnung zu entwickeln.“
 
„Auch sind die Einflussmöglichkeiten, mit Kommunikationsdesign zu gesellschaftlichen Veränderungen anzuregen sowie einer kulturellen und ästhetischen Verantwortung nachzukommen, vielen Designern zu wenig bewusst.“ 

Resümee

Das Interesse der Studierenden am Fach Design&Ethik ist in den fünf Jahren seit dieses Seminar an der HTW Berlin Teil des Curriculums ist, stetig gestiegen. Gab es am Anfang einige flammend Interessierte und etliche, die Unverständnis zeigten, ist heute die große Mehrzahl der Studierenden von der Relevanz der Thematik für ihre Ausbildung und ihre spätere Berufspraxis überzeugt.

In der Auseinandersetzung im Seminar spiegeln sich Tendenzen der gesellschaftlichen Diskussion wider:
–     Was kann ich als Einzelner schon ausrichten?
–     Erst müssen sich die anderen ändern!
–     Geld verdirbt die Moral: Je größter ein Unternehmen, umso korrupter, umweltschädigender und ausbeuterischer ist es. Allen Unternehmen wird prinzipiell „Green washing” unterstellt. Keine Beteuerung von dieser Seite wird als aufrichtig akzeptiert.

Das Misstrauen gegenüber politischen Versprechen und unternehmerischen Absichtserklärungen scheint unüberwindbar. Eine schwierige Ausgangslage für Berufsstarter. Umso mehr ist zu wünschen, dass sie im Beruf Quellen für Mut, Zuversicht und Unterstützung finden. Deshalb hoffe ich, dass trotz des geringen Bewusstseins für die Macht des Designs sowie die Bedeutung als Berufsgruppe, die künftigen Kollegen nicht in der Vereinzelung enden. Die Organisation in Interessensvertretungen ist nicht von Haus aus die Sache der Kreativen. Viele sträuben sich dagegen. Dabei kann Orientierung in der Gruppe eine wichtige Unterstützung für die Auseinandersetzungen im Alltag sein.
Diese Erfahrung machen wir im VDID Verband Deutscher Industrie Designer durch die Rückmeldungen der Mitglieder auf den VDID Codex der Industriedesigner: Leitbild und ethische Werte des Berufsstandes. Der Typ „Einzelkämpfer“ wird im Berufsalltag schnell an die Grenzen der Selbstbestimmung stoßen.

„Überzeugungstäter“
Diese jungen Menschen haben häufig sehr früh die Entscheidung getroffen, Gestalter zu werden und sahen dazu auch keine Alternativen. Meine Befragungen im Laufe der letzten Jahre mit einer großen Zahl von Design-Studierenden zu ihrer Wahl des Berufsfeldes Design haben gezeigt, dass der weitaus größte Teil bei der frühen Entscheidung für das Studium keinen Plan B hatte und auch im Verlauf der Ausbildung keine Zweifel an der Berufswahl aufkommen.[1] Diese Fixierung auf den „Traumberuf“ verbunden mit der Desillusionierung über Bewertung gestalterischer Leistung auf Seiten der Auftraggeber kann bei Honorar- und Gehaltsverhandlungen zur Erpressbarkeit führen. Dies ist keine gute Erfahrung für die Selbstachtung.Die meisten Design-Studierenden treten mit einem hohen Anspruch an: Sie wollen die Welt verbessern und schöner machen. Diese Absicht wird begleitet von größten Vorbehalten gegenüber „der Wirtschaft“ (wird das W in HTW bei der Wahl der Hochschule ignoriert, verdrängt?). Dieser Hintergrund zusammen mit der hohen Verletzlichkeit, was die Kritik der eigene Arbeit betrifft und gepaart mit der Erwartung der Praxis, stärker auf Kunden und Konsumenten einzugehen und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel zu beherrschen, stellt höchste Anforderungen an den Nachwuchs. Bei der Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung, die ich erlebe, bin ich zuversichtlich, dass jede und jeder sehr persönliche Antworten auf die Fragen „Was kann ich wissen? und „Was soll ich tun?“ finden wird.

Fotos: Copyright Alexander Rentsch http://alexanderrentsch.com/

[1] Wissenschaftliche Studien dazu und inwieweit solche Zusammenhänge wiederum Einfluss auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status kreativer Berufe hat, fehlen leider. Ebenfalls eine Aufgabe für Politik, Hochschulen, Berufsverbände und die inzwischen bundesweit engagierten Clustermanager der Kreativwirtschaft diesen Kontext zu erforschen. Gegebenenfalls müssen entsprechende Angebote zum Ausgleich von Defiziten bei den Einstiegsvoraussetzungen der künftigen Kreativen in der Ausbildung und für das Lebenslange Leben entwickelt werden.