© Kai Barnickel

Design und Leben

Wohin führt mich meine Designausbildung? Was will ich im Beruf erreichen? Wie will ich leben? An der Georg Simon Ohm Hochschule haben sich 21 künftige Kommunikations-Designerinnen und -Designer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, überwiegend im 3. Semester ihres Bachelorstudiums, mit ihren Wünschen, ihren Vorstellungen und Träumen von ihrer Zukunft und ihrem künftigen beruflichen Alltag auseinandergesetzt.

Warum diese Analyse der persönlichen Voraussetzungen und Erwartungen an den Beruf? Die Berührungspunkte zum Gegenstand des Seminars Projektmanagement liegen auf der Hand: In der Gruppendynamik von Teamarbeit, bei der Kompetenz von Teammitgliedern für Führungsaufgaben, im unterschiedlichen Zugang zu Projekten und der Unterscheidung zwischen Zielen und Aufgaben. Schließlich beim Thema Kostensteuerung auf Basis möglichst realitätsnaher Kalkulationen. Wie viel brauche ich zum Leben? Was bedeutet zum Beispiel der Traum von der eigenen Selbständigkeit? Bin ich der Typ, der Planungsunsicherheit aushält?

Die Befragung kann von Art und Umfang her keinen repräsentativen Anspruch erheben, ist aber ein interessantes Schlaglicht auf die heutige Situation. Sie gibt unter anderem auch einen Einblick in die Bandbreite der unterschiedlichen Berufsfelder, die sich den Studierenden mit dem Studium an der Georg Simon Ohm Hochschule eröffnen.

Die Teilnehmer des Seminars nennen in ihren Fotoportraits ihre persönlichen Leitmotive, was sie antreibt, ihre Ziele. Fotografiert hat seine Kommilitonen Kai Barnickel. Herzlichen Dank an ihn für dieses Engagement für die ganze Gruppe! Seinem persönlichen Wunsch in der Zukunft als Fotograf – gern selbständig – zu arbeiten, viel Erfolg! Mein Dank auch an alle, die Rede und Antwort gestanden haben. Ihre Aussagen habe ich ausgewertet und zusammengefasst.

Selbständigkeit scheint die erste Wahl für gut über die Hälfte der Studierenden zu sein, auch wenn dieser Wunsch zum Teil erst nach einigen Jahren der Anstellung realisiert werden soll. Wenn nicht als Einzelkämpfer, dann soll zumindest in übersichtlichen Zusammenhängen mit flachen Hierarchien und einigen wenigen Kollegen gearbeitet werden. [1]

Zwei männliche Studenten bildeten die Ausnahme und nannten den Wunsch bei großen, bekannten Unternehmen zu arbeiten: in der Automobilindustrie und in einem international renommierten Studio in Kalifornien. Hinzu kam ein Studienkollege mit der präzisen Vorstellung eine Festanstellung als Professor im Bereich Fotografie anzustreben.

„Ich kann mir gut vorstellen bis dahin selbständig zu sein und eventuell nebenbei freier Mitarbeiter bei einer Agentur zu sein.“

„Erst mal als Angestellter beziehungsweise freier Mitarbeiter, später dann in einer leitenden Position oder als Selbständiger.“

 „Ich möchte später kein Arbeitssklave sein und ich habe nicht unbedingt vor, mich selbstständig zu machen. Mir ist ein kreativer Freiraum wichtig. Ich könnte mir vorstellen in einer kleinen Grafikagentur zu arbeiten.“

„In 10 Jahren wäre ich gerne freischaffende Illustratorin (und Fotografin?) in einer kleinen Agentur, in der 2-4 Designer mit- und nebeneinander arbeiten.“ 

[1] Wie realistisch ist dieser Wunsch nach Unabhängigkeit in übersichtlichen Strukturen? Wird so in der deutschen Kreativwirtschaft die Kleinteiligkeit der Profession weiter festgeschrieben und damit die vielen prekären Einkommens- und Lebensverhältnisse in dieser Branche? Wird der Nachwuchs unter diesen Voraussetzungen im internationalen Kontext wettbewerbsfähig sein können? Hier sind Politik, Berufsverbände und Hochschulen gefragt, gemeinsam den Berufseinsteigern im Teilmarkt Designwirtschaft der Kreativwirtschaft konkrete Perspektiven aufzuzeigen.
Eine scheinbar einfache Frage, nicht leicht zu beantworten. So fielen die Antworten zum Teil recht knapp aus, mit widerkehrenden Schlagworten: Kreativität, Mut zu Neuem. Verständlich in dieser Phase der Suche nach der eigenen Haltung und der persönlichen Definition von Design, in Abgrenzung zu anderen. Zu merken ist das Ausloten der eigenen Position zwischen der Verwirklichung persönlicher Gestaltungsambitionen und deren Unterordnung im Dienste eines Designverständnisses als Lösungsansatz für Aufgaben und zur Erreichung übergeordneter Ziele.

„Bilder imaginärer Welten aufs Blatt zu bringen. Jeden Tag anders, immer wieder neu. Das ist für mich das Spannende an Design.“

„Es sollte zumindest zu einem kleinen Teil auch die Gestaltung von einem persönlich einfließen, obwohl es meist Auftragsarbeiten sind.“

„Erkennen von Problemen. Bei der Problemlösung den funktionellen Charakter von Dingen bestimmen und diesen bestmöglich für die Zielgruppe zu gestalten. Dabei kann man Sachen übernehmen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben, allerdings sollte man immer Ausschau halten nach innovativen Wegen die Dinge zu gestalten.“

„Design bedeutet für mich, die Umsetzung kreativer Gedanken in Projekten wieder zu finden.“

„Es bedeutet für mich, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen und Menschen mit meiner Kreativität und gutem Design Freude zu machen.“

Bei den Stärken betonen die Befragten  neben Begeisterung für das Metier und Kreativität, die eigene Team- und Anpassungsfähigkeit beziehungsweise Belastbarkeit. Das sind zweifelsfrei gute Voraussetzungen für einen interdisziplinären Beruf mit viel Teamarbeit. Erstaunlicherweise werden spezifisch für die Profession relevante Qualitäten wie „ein gutes Auge“ kaum genannt. Ausnahmen bilden diejenigen, die bereits Berufserfahrung mitbringen und ihre Fertigkeiten, zum Beispiel in Computerprogrammen, benennen können.

Bei den Schwächen gibt es Übereinstimmungen beim beklagten eignen Perfektionismus und bei der Schwäche, Entscheidungen zu treffen und diese dann auch selbstbewusst zu vertreten sowie bei mangelnden Organisationsfähigkeiten beziehungsweise fehlendem Zeitmanagement. Defizite, die spätestens nach dem Studium mit den Erfahrungen des Berufslebens ausgeglichen werden können.

„Meine Stärken sind Ideenreichtum, Flexibilität, Neugierde, offen für Neues, Durchhaltevermögen, Teamplayer. Meiner Meinung nach wichtige Eigenschaften in einem kreativen und hoch konkurrierenden Business.“

„Wenn es soweit ist, beim Vorstellungsgespräch, werde ich mir das genau überlegt haben.“

„Das Ego von dem ich einst dachte es aufbauen zu müssen, steht mir nun bisweilen im Weg.“

„Ich möchte gern meinen eigenen Stil finden und dadurch auch selbstbewusst meine Arbeiten präsentieren.“

Fast die Hälfte der Befragten sagt aus keine Vorbilder zu haben oder so viele, dass sie nicht zu benennen sind. Von den anderen nennt die Hälfte, also insgesamt ein Viertel, Namen von Gestaltern. Die Übrigen sehen vorbildhafte Funktionen in menschlichen Qualitäten, die bestimmten Personengruppen zugeordnet werden wie zum Beispiel den Eltern.
„Salvador Dali, Jesus, Kanye West“

„Michael Kutsche, Goro Fujita, Feng Zhu, Jana Schirmer, Kemane Ba, Lois van Baarle uvm.“

„Pavel Kaplun“

„Im Bereich Fotografie: William Eggleston; Design: Milton Glaser, Janosch… . Im Leben: Leute wie Oskar Schindler, Menschen mit Charakter, die sich nicht verbiegen lassen zu Ihrer Meinung stehen, Mut haben“.

„Magnum Fotografen“

„Eher nicht, ich finde man sollte selbst wissen, was man vom Leben erwartet und welche Ziele man erreichen möchte. >Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemanden überholt werden< Marion Brando.“

„Vorbilder gibt es eher im historischen Sinne, wie Leonardo da Vinci, der Kunst, Technik und Naturwissenschaften miteinander verbunden hat und ein großartiger Handwerker und Visionär war. Aktuelleres Beispiel: Iris van Herpen, Modedesign, Uli Staiger, Fotograf, Digital Artist.“

Ein Drittel der Befragten sieht diese Verantwortung in der Gestaltung selbst: immer das Neue suchen, wegweisend arbeiten, keinen Mainstream machen, die Welt visuell verbessern. Ein Drittel fühlt sich verantwortlich gegenüber den Menschen mit denen man zu tun hat, also sich selbst gegenüber, den Auftraggebern und schließlich den Nutzern ihrer Arbeit. Ein weiteres Drittel benennt die Macht des Designs Einfluss zu nehmen und Werte zu vermitteln. Nur zwei Teilnehmer sehen sich verantwortlich in Bezug auf den nachhaltigen Einsatz von Material und Ressourcen. [2]

„Die Welt verbessern. Zumindest visuell.“

„Gelerntes Wissen nutzen und anwenden.“

[2] Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass die Diskussion der letzten Jahre um Nachhaltigkeit und deren vielfältige Aspekte über die Ökologie hinaus, dazu geführt hat, dem sparsamen Umgang mit Ressourcen weniger Aufmerksamkeit zu schenken als noch vor 20 Jahren.

„Dinge so zu gestalten, dass sie nachvollziehbar, funktional und nützlich sind.“

„In der Übermittlung einer Botschaft, Information, eines Gefühls, einer Geschichte.“

„In der Entertainment-Industrie nicht nur zu unterhalten sondern auch Werte zu vermitteln. – Auch neben dem Beruf zu gesellschaftlichen/politischen Problemen Lösungen finden. – Nachwuchs-Designern Wissen weitergeben.“

„Einmal bei ethischen und moralischen Aspekten, z.B. bei Bildern/Kompositionen. Als Schöpfer von etwas, sollte man seiner Verantwortung einfach bewusst sein.“

„Ich persönlich sehe die Verantwortung in der Umsetzung und Ausarbeitung des Gedankengutes.“

„Ich habe ein ganz schönes Zitat gefunden, das in gewisser Weise passend ist. >Als Designer ist man eine »Waffe« der Manipulation und jeder entscheidet selbst von wem oder für wen er sich abfeuern lässt.<“

Die Vorstellungen vom Leben zeigen weitest gehende Übereinstimmung. Familiengründung mit Kindern, je nach Präferenz in unterschiedlicher Umgebung. Mal in der Großstadt, mal auf dem Lande oder in der Ideal-Kombination mit dem Leben auf dem Land und der Arbeit in der Stadt. In die weite Ferne, sprich das Ausland,
zieht es circa 20 %.

„Das einzige, was ich weiß, ist dass ich irgendwann Familie haben will.“

„Kleines Haus am Stadtrand mitten in der Natur.“

„In einer schönen Stadt. In einem großen Loft, mit weißgetünchten Wänden. Mit einem super Kaffeevollautomaten. Und sehr wichtig: mit vielen sympathischen Menschen.“<

„Egal wo, aber mit Familie, Haus und angenehmen Arbeitsplatz.“

„Wie dann allerdings mein berufliches Leben aussehen wird, weiß ich nicht. Ich denke man muss als Designer auch flexibel bleiben und dank der Ausbildung ist man ja doch vielseitig einsetzbar.“

„Bei PIXAR Animation Studios in Emeryville, Kalifornien.“

Wie diese Lebenspläne zu finanzieren sind, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Der Großteil ist bescheiden beziehungsweise möchte genug verdienen um sorgenfrei und unabhängig zu leben. Wie viel Sorgenfreiheit kostet, wird die Zukunft zeigen. Etwa ein Drittel nennt Zahlen, die den vergleichbaren Gehältern von Absolventen der Ingenieurwissenschaften entsprechen. Diese sollten auch vom Selbstverständnis her den Bezugsrahmen bilden. [3]

„Dass es zum Leben reicht.“

„Kann ich nicht sagen…mehr als 1.500 Brutto, aber hauptsächlich kommt es mir darauf an Leben zu können, irgendwann mal eine Familie zu ernähren und eine tolle Firma zu haben, in der man auch Sicherheit hat, sei es als Angestellter oder als Selbstständiger.“

„Die für freischaffende Illustratoren üblichen 300 bis 400 Euro am Tag wären voll ok!“

„45.000-50.000 Euro/Jahr“

„Wie viel kostet ein Loft in Berlin oder Hamburg?“

[3] Etliche sehr bescheidene Nennungen verweisen auf ein Problem der Berufsstarter in dieser Branche: Das Wissen um die Dumpingpreise in der Branche, die Vorstellung in der Berufspraxis gezwungen zu sein, die eigene Dienste unter Preis anbieten zu müssen, um überleben zu können. Die Erwartungen sind also bereits vor dem Berufseinstieg niedrig. Wenn dann die Motivation für den Beruf hauptsächlich in Selbstverwirklichung und der Verwirklichung gestalterischer Ambitionen liegt, ist die Selbstausbeutung vorprogrammiert.

Meine vergleichbaren Befragungen im Laufe der letzten Jahre mit einer großen Zahl von Design-Studierenden haben gezeigt, dass der weitaus größte Teil bei der Entscheidung für das Studium keinen Plan B hatte und auch im Verlauf der Ausbildung keine Zweifel an der Berufswahl aufkommen. Diese Fixierung auf den „Traumberuf“ verbunden mit der Desillusionierung über Bewertung gestalterischer Leistung auf Seiten der Auftraggeber kann bei Honorar- und Gehaltsverhandlungen zur Erpressbarkeit führen. Wissenschaftliche Studien dazu und inwieweit solche Zusammenhänge wiederum Einfluss auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status kreativer Berufe hat, fehlen leider. Ebenfalls eine Aufgabe für Politik, Hochschulen, Berufsverbände und die inzwischen bundesweit engagierten Clustermanager der Kreativwirtschaft diesen Kontext zu erforschen. Gegebenenfalls müssen entsprechende Angebote zum Ausgleich von Defiziten bei den Einstiegsvoraussetzungen der künftigen Kreativen in der Ausbildung und für das Lebenslange Leben entwickelt werden.

Resümee

Ist es zu früh, sich im 3. Semester diesen sieben Fragen nach Berufserwartungen und Lebensentwürfen zu stellen? Ich bin überzeugt, dass bereits vor der Entscheidung für das Studium  einige grundlegende Weichenstellungen bedacht sein sollten. In der Halbzeit auf dem Weg zum Bachelor lohnt es sich in jedem Fall, die nächsten 1 1/2 Jahre für die weitere persönliche Ausrichtung zu nutzen und sich über die eigenen Ziele klar zu werden.

Egal ob als Angestellter oder Selbständiger, im Endeffekt ist alles eine Frage der Persönlichkeit. Dies gilt für den Beruf des Kommunikationsdesigners ebenso wie für andere. Keiner sollte darauf vertrauen, dass allein die gestalterische Arbeit für sich spricht und überzeugt. Denn es ist der Mensch, der als freier Unternehmer andere für sich gewinnen kann oder der von einem Arbeitgeber eingestellt wird. Wer selbstbewusst die eigenen Stärken und Fähigkeiten darstellen kann und weiß was er will, wird sein Gegenüber für sich einnehmen.