Fotos Copyright: Constanze Schlüter

Pragmatisch und idealistisch
Zukunftsträume künftiger Industriedesigner/innen

Befragung im Rahmen des Seminars Design Management an der Folkwang Universität der Künste Essen, Gestaltungs-Studiengang Industrial Design
Dozentin: Iris Laubstein, laubstein design management, Köln

Im Wintersemester 2012/2013 haben sich 23 Studierende, 5. Semester Industrial Design im Fachbereich Gestaltung an der Folkwang Universität mit ihren Vorstellungen von ihrer Zukunft auseinandergesetzt. Hintergrund war die Semester-Aufgabe im Kurs Design Management: Ein Planspiel bei dem die Gründung einer Designagentur mit einer spezifischen inhaltlichen Ausrichtung konzipiert werden sollte.

Zu jedem Businessplan gehört zum Einstieg die Darlegung der persönlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Realisierung des geplanten Gründungsprojektes. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Person, den persönlichen Wünschen und Fähigkeiten, ist die Voraussetzung für viele Weichenstellungen nicht nur im Berufsleben und sollte zum Beispiel auch vor der Entscheidung für Selbständigkeit oder die Angestellten-Laufbahn stehen.

Entwickelt haben den Fragenkatalog die Teilnehmer/innen des Seminars Design Management im vorhergehenden Sommersemester 2012, die als Auslands-Studierende ihrerseits die Kommilitonen an ihren jeweiligen Studienorten in England, China und den USA nach ihren Zukunftswünschen befragt haben – siehe auch » Designer/innen von morgen 

Die Portraitfotographien ihrer Kommilitonen stammen von Constanze Schlüter, angehende Kommunikationsdesignerin – herzlichen Dank an sie für ihren Einsatz. Aufgefordert waren alle, sich im Bild mit ihrem persönlichen Leitmotiv zu zeigen. Ein kurzes Statement zu dem, was den Einzelnen antreibt. Eine Generation durchweg sympathische künftiger Kolleginnen und Kollegen, auf die wir uns freuen können.

Fast 70 % visieren eine oder mehrere konkrete Branchen an: Möbel, Automobil / Mobilität, Textil, Haushaltswaren, -elektronik, Sportartikel. Das ist durchaus ein vernünftiger Ansatz. Auch wenn es keine Garantie gibt in einer dieser Branchen zu landen, so stellt es doch eine erste Orientierung dar im weiten Feld der unterschiedlichen Branchen für die Industriedesigner entwickeln und gestalten.[1]

Die sich nicht festlegen wollen, betonen, dass die Sinnhaftigkeit ihrer künftigen Arbeit ihnen wichtiger ist, als der Aspekt damit Geld zu verdienen.

„Als Designer für die Möbel-, Automobil- oder Textilindustrie Produkte zu gestalten.“

„In zehn Jahren würde ich gerne mein Geld mit der Gestaltung und Entwicklung von Sportequipment und -artikeln verdienen. Ich finde es wichtig, dass man Spaß an dem hat, was man tut, denn nur dann kann man seine Arbeit so gut wie möglich machen.“

„Ich möchte das Zuhause gestalten: Mit Möbeln, kleinen Haushaltshelfern, Geschirr, Keramik.“

„Mit der Gestaltung von Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten, Haushaltselektronik.“

„Mit dem Entwerfen innovativer Produkte, welche Verwendung im Alltag einer Zielgruppe finden und als Lösung und Erleichterung dienen.“

„Ich will mich nicht festlegen, aber ich weiß, was ich nicht will: Für Geld meine Ideale aufgeben. Ich würde gerne Teil einer Veränderung sein. So wie unsere Gesellschaft sich heute verhält, kann es nicht mehr lange weiter gehen und ich bin sicher, dass Designer gebraucht werden, um einen Wandel attraktiv zu machen, in welchem Bereich auch immer.“

[1] Eine Beobachtung am Rande: einige der jungen Männer hegten bei der Berufswahl sicher den Wunsch irgendwann schöne, flotte Autos zu designen. Die Realität des Studiums mit der Vermittlung von konzeptionellen Systemansätzen und der Diskussion um Design als Lösung von Problemen, hat sie vorsichtig werden lassen. Ob ihr ursprünglicher Traum noch realistisch und realisierbar und zudem mit Akzeptanz und Renommee verbunden sein wird? Gestaltung von „Mobilität“ ist das Zauberwort, das Unsicherheiten bannen kann und einen Paradigmenwechsel beim Faszinosum Auto anzeigt.

50 % wollen angestellt arbeiten, 50 % selbständig – gleich nach dem Studium oder nach ersten Erfahrungen in Angestelltenverhältnissen. Selbständigkeit und Agenturgründung werden in der Regel nicht als klassisches Unternehmertum verstanden, sondern als eine Art Erweiterung, Konsolidierung des Status des Freiberuflers, der mit anderen Freiberuflern zusammen arbeitet. Wenn es mit der Selbständigkeit nicht funktionieren sollte, dann bitte angestellt in kleinen Teams.[2]

„Als Angestellte in einer Designagentur oder in einem Designbüro, welches direkt in einem Unternehmen sitzt. Dabei möchte ich in einem großen, interdisziplinären Team arbeiten.“

„…in einer kleineren Agentur in einem Team auf Augenhöhe.“

„…könnte ich mir vorstellen, mich selbständig zu machen und in einem Team zu arbeiten.“

„…es für mich attraktiver ist, selbständig zu sein und sich die zu gestaltenden Sachen selbst aussuchen zu können.“

[2] Auch hier scheint sie wieder durch, die Festschreibung der Kleinteiligkeit in der deutschen Designwirtschaft als Teil der Kreativwirtschaft. Zum Glück nicht so ausgeprägt wie bei den Kommunikationsdesignern, siehe Befragung Georg Simon Ohm Hochschule Nürnberg>> Design und Leben

Die angehenden Industriedesigner sind sich einer großen Verantwortung bewusst, sind überzeugt von der Macht von Gestaltung. Diesen Einfluss wollen sie nutzen, um den Alltag und die Welt zu verbessern. Darin sind sich alle einig. Dieser Enthusiasmus und der hohe Anspruch bergen die Gefahr schneller und großer Ernüchterung in der Berufspraxis. Mögen der Berufsalltag und ihr Durchsetzungsvermögen ihnen diese Einflussnahme möglich machen und sie stark genug sein, auch bei nur kleinen Schritten, das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Beim Durchhalten auf steinigen Wegen kann Vernetzung, zum Beispiel im VDID Verband Deutscher Industrie Designer, helfen.[3]

„Als Gestalter hat man die Möglichkeit sehr viele Bereiche des Lebens zu beeinflussen. Diese Möglichkeit sollte man zu nutzen wissen um die Welt ein stückweit schöner, fröhlicher, gesünder und friedlicher zu machen.“

„Designer sind die Schnittstelle zwischen Mensch und Produkt. Zuhören, Erforschen, Fragen, Beobachten, noch mal zuhören und noch mal fragen stehen an erster Stelle. Gerade in Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Fachleuten aller Art ist es mir wichtig zusammen nach guten Lösungswegen zu suchen.“

„Darin Produkte nachhaltig, reparierfähig und daher einfach, ästhetisch, materialgerecht und ergonomisch zu gestalten.“

[3]Eine Reaktion der VDID Mitglieder auf die Veröffentlichung des VDID Codex für Industriedesigner: Leitbild und ethische Werte des Berufsstandes, war das Gefühl von Orientierung und Gemeinsamkeit.

Begeisterung, Kreativität, gutes Allgemeinwissen, handwerkliches Geschick, Teamfähigkeit und Empathie – alles Stärken, die für viele Berufe gebraucht werden. Sehr wichtige Voraussetzungen auch im Design. Aber kein geübter Businessplan-Beurteiler würde sich damit als Definition der persönlichen Voraussetzungen eines Gründers für ein gelingendes Geschäft im Design zufrieden geben. Aber noch haben die Studierenden Zeit ihren ganz eigenen Zugang zum Designberuf zu definieren und damit auch ihre mögliche Rolle in Teams und bei Unternehmens-Gründungen.

„Stärken: Ideenreichtum, Begeisterungsfähigkeit für verschiedene Themen, Leidenschaft, Kommunikationsfähigkeit, Sinn für Ästhetik.
Schwächen: Entscheidungsfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Zeichnen.“

„Ich kann beobachten und zuhören und meine Ideen sprachlich gut kommunizieren. Ich möchte noch an meinen gestalterischen Fähigkeiten arbeiten.“

Ich bin zielstrebig, engagiert und setze mich gerne mit Problemen auseinander, um eine innovative und effiziente Lösung zu finden. Ebenso bin ich kreativ und zeichne und baue leidenschaftlich gerne Modelle bzw. Produkte. Dabei darf Interesse und Experimentierfreudigkeit natürlich nicht fehlen. Außerdem tausche ich mich gerne mit Anderen aus.“

Die Beantwortung der Frage nach ihren Vorbildern fällt angehenden Industriedesignern im Vergleich (zum Beispiel zu angehenden Kommunikationsdesignern) offensichtlich leicht. Nur eine Studentin beantwortete die Frage mit einer rigorosen Verneinung. Knapp die Hälfte nennt Familie und andere Mitmenschen. 70 % führt bekannte Namen aus der Gestaltung an. Zum Teil scheint bei den Antworten sehr unterschiedliche individuelle Prägung durch.

„Jeder der es schafft, mich mit seinem Design/Produkt/Arbeit zu überzeugen, ist für mich ein gestalterisches Vorbild.“

„Mitmenschen, die ihre Werte mehr leben als über sie zu reden.
Eine Kastanie, die man unbedingt haben möchte, auch wenn man nicht weiß, was man damit machen soll.
Ein vollwertiges Fahrrad, das im Zug als Gepäck erscheint.
50 Jahre alte Stühle, die noch heute so begehrt sind, dass sie wegen ihrer Form aus der Uni verschwinden.
Menschen, denen man anmerkt, dass sie genau das machen, was ihnen liegt.“

„Stark beeindruckt bin ich von den Produkten der Künstler und Designer wie Konstantin Gricic, Willy Guhl, Max Bill, Walter Gropius, Edward Barber, Salvador Dali, Pierre Paulin und Tinker Hatfield, da sie für mich eine sehr ästhetische Formsprache haben.“

„Isamu Noguchi, Sori Yanagi“

„Yanagi Sori, Naoto Fukasawa, Tadao Ando, Vivienne Westwood“

„Neuland Industriedesign“

“Thomas Meyerhoffer, Naoto Fukasawa, H. J. Wegner. Ich mag es gerne schlicht.“

„Charles und Ray Eames. Sie haben sehr viel geforscht, sind viel gereist und haben oft interdisziplinär gerbeitet.“

„Arne Jacobsen“

„Ich mag Michael Braungart, er ist zwar kein Designer, sondern Chemiker, aber ich finde, dass cradle2cradle einfach Hoffnung macht und zeigt, dass ein Wandel möglich ist/wäre. Außerdem find ich super, dass er seine „Idee“ so frech an den Mann/die Frau bringt. Auch die Arbeitsweisen von Buckminster Fuller und Victor Papanek find ich spannend. Man pickt sich vielleicht am besten bei jedem was raus.“

Offenheit und Flexibilität sind zu spüren: Etwa die Hälfte würde Deutschland als Standort vorziehen, der andere Teil kann sich vorstellen in Europa oder den USA zu leben und zu arbeiten. Die drei chinesischen Austauschstudenten der Gruppe wollen in China arbeiten oder den Spagat zwischen Deutschland und ihrer Heimat schaffen. Von den deutschen Studierenden gibt es nur eine Option nach Asien und dort nach Japan.

„Ich kann mir vorstellen sowohl in Europa als auch den USA zu arbeiten und/oder zu leben.“

„In einer Großstadt wie Hamburg/Berlin; ich bin auch offen fürs Ausland.“

„Natürlich ist die ganze Welt spannend, aber europäische Werte liegen mir am Herzen, sind innovativ und fortschrittlich. Ich bin davon überzeugt, dass von hier immer noch die Welt verbessert werden kann und die Offenheit dafür noch am größten ist, weil grundsätzliche Bedürfnisse befriedigt sind und Menschen sich mehr und mehr Gedanken machen, wie sie leben wollen. Da ist viel Raum für neue
Konzepte.“

Mit einer Familie gut leben können – was mag das kosten? Irgendwas zwischen 1.500 und 6.000 Euro im Monat? Die Vorstellungen gehen weit auseinander und nehmen damit wohl auch schon die spätere Einkommens-Realität vorweg.

„Ich möchte davon leben können, mir keine Sorgen machen müssen. 1.500 netto wären schon ok. Mit Familie wäre das wohl anders, das kann ich aber nicht einschätzen.“

„Ca. 2.000 Euro netto per Monat.“

„Ich kann mir gut vorstellen, 5.000 bis 6.000 Euro netto im Monat zu verdienen.“


Unterscheiden sich die Zukunftsträume angehender Industriedesigner von denen künftiger Kommunikationsdesignern?

Auch die Essener Befragung kann von Art und Umfang her keinen repräsentativen Anspruch erheben, gibt aber einen Einblick in die Vorstellungen des Nachwuchses im Industriedesign. Verglichen werden können die Antworten mit der Befragung der Nürnberger Studierenden im Kommunikationsdesign im Sommersemester 2012 im Seminar Projektmanagement, da die Fragestellung sehr ähnlich war.

Ein Unterschied bei den Antworten liegt in den konkreteren Vorstellungen der Industriedesigner von den Branchen, in denen sie arbeiten wollen. Dabei wird internationale Mobilität als Voraussetzung und Chance verstanden. Parallelen zwischen beiden Gruppen zeigen sich bei der sehr unspezifischen Einschätzung der persönlichen Stärken für den jeweiligen Beruf. Ebenfalls große Übereinstimmungen gibt es bei den Vorstellungen von harmonischen Familienleben, das im ausgeglichenen Verhältnis zur Berufstätigkeit stehen soll.[4]

Was dieses gute Leben mit Familie kostet, bleibt in den Vorstellungen ebenfalls vergleichbar vage, mit Nennungen am Existenzminimum bis zum Gehalt von Ingenieuren und mittlerem Management.

» Alle Fotos der Kommilitonen im PDF
Fotos Copyright: Constanze Schlüter, constanze.schlueter@t-online.de

[4] Neueste Studien der Arbeitsmarktforschung zeigen, dass diese sogenannte Generation Y, der nach 1980 geborenen, sich nicht durch die Arbeit versklaven lassen will, Sinn und Spaß sucht sowie von Arbeitgebern Zeit für Familie und Freunde beansprucht und so die künftige Arbeitswelt verändern wird.